EIN WENIG GESCHICHTE
WIE ALLES BEGANN
Die Geschichte des Erlenbacher Weinbaus
Auch wenn wahrscheinlich schon die Römer die Rebe ins Maintal brachten, mussten noch tausend Jahre vergehen, bis eine Urkunde den Erlenbacher Weinbau belegt. Diese Urkunde, datiert vom 2. Januar 1261, berichtet, dass „Walter Schenk von Brotselden den Brüdern vom Deutschen Orden u. a. seinen Hof in Erlenbach mit einem Weingarten im Phuel vermacht“. Zu dieser Zeit war sicher auch schon das nahe liegende, 1234 gegründete Zisterzienser-Kloster Himmelthal im Besitz von Weinanbauflächen auf Erlenbacher Boden, die ihm über Schenkungen zugekommen waren. Da es seine Besitzungen aber nicht selbst alle bewirtschaften konnte, verpachtete es einen Teil weiter, wobei schon damals die entsprechenden Bedingungen vertraglich geregelt wurden. Das belegt ein Fall, der im Jahre 1281 schriftlich aufgezeichnet worden ist: Die Äbtissin des Klosters Himmelthal ließ prüfen, ob die vereinbarte Menge von 20 Fuhren Mist vom Pächter eines auf Erlenbacher Gemarkung gelegenen Weingartens auch tatsächlich in den Boden eingearbeitet wurde.
Da dies nicht geschehen war, verklagte sie den Pächter vor Gericht in Aschaffenburg, der, dort vorgeladen, zu Protokoll bestätigte, den Vertrag in dieser Anforderung nicht erfüllt zu haben. Das Gericht ermahnte ihn daraufhin, das Versäumte schnellstens nachzuholen, da ihm sonst der Weingarten nicht weiter überlassen werden könne und er zudem mit einer Strafe rechnen müsse. Offensichtlich hat sich der Pächter diese Ermahnung sehr zu Herzen genommen und seine Pflicht erfüllt, denn er ist in keinem anderen Zeitdokument mehr erwähnt.
Seit wann es Häckerwirtschaften gibt, wissen wir nicht. Die Anfänge könnten so gewesen sein, dass man sich beim Nachbarn traf und dessen Wein verkostete, wobei der gesellige Kreis von Jahr zu Jahr größer wurde. Urkundlich belegt ist jedenfalls, dass schon 1668, also im tiefsten Mittelalter, in Erlenbach Wein in Häckerwirtschaften ausgeschenkt worden ist. Es waren Häckerwirtschaften, zu denen schon damals jeder, der trinken wollte und bezahlen konnte, Zutritt hatte.
1868, also exakt 200 Jahre später, reglementierte dann die Obrigkeit: Die politische Gemeinde erließ eine ortspolizeiliche Vorschrift, in der jedem „Ortseinwohner“ ganz offiziell gestattet wurde, seinen „selbstgebauten Trauben- oder Obstwein in seiner Behausung zu verzapfen“, allerdings nur über einen Zeitraum von höchstens acht Wochen. Häckerwirtschaften erfreuen sich auch heute noch großer Beliebtheit. Der „Charme des Privaten“ hat inzwischen zwar Seltenheitswert, haben die meisten Hobbywinzer doch schon eigene Räumlichkeiten für ihre „Hecke“ errichtet. Aber hie und da gibt es auch noch die auf Zeit ausgeräumte Wohnung, wo zumindest noch die Bilder an der Wand erkennen lassen, dass man seinen Wein in einem Schlafzimmer kredenzt bekommt.
Nicht wenige Krisen haben den Weinbau geschüttelt, wie uns alte Schriftstücke berichten. Sie beschreiben Unwetter, die ganze Jahresernten vernichteten; sie berichten uns aber auch von politischen Repressalien, die den Weinbau als Einkommenssicherung in Frage stellten. So belegte schon bald nach der Einverleibung von Erlenbach in das Königreich Bayern die Hohe Kammer der Abgeordneten in München den im Bereich des ehemaligen Fürstentums Aschaffenburg erzeugten Wein mit einer „Akzise von 1 fl 30 xr und 3 Pfennig vom bayerischen Eimer“. Diese erdrückende Abgabe war so spürbar, dass sich anno 1827 Erlenbacher Weinbauern gemeinsam mit der Stadt Klingenberg dagegen wehrten und eine Eingabe nach München richteten. In ihr wiesen sie auf die schlechten Vermarktungsmöglichkeiten hin, weil „Weine aus dem Rheingau mit keinen Abgaben belegt sind und deshalb wohlfeiler verkauft werden können“.
Als sich zu Beginn der achtziger Jahre erneut eine kritische Zukunftsperspektive für den örtlichen Weinbau abzeichnete, die ihn langfristig in Frage hätte stellen können, war die Stadt gefordert. Sie hatte zu entscheiden, weichen Stellenwert sie selbst der das Landschaftsbild prägenden Weinkultur beimisst und ob sie es, ohne gegenzusteuern, hinnehmen kann, dass sich der private Weinbau in der Fläche zurückentwickelt.
In einigen Winzerfamilien stand nämlich zu dieser Zeit schon kein interessierter Nachwuchs mehr bereit, den elterlichen Weinbau fortzuführen. Auch eine Fremdübernahme war nicht immer gesichert. Die Stadt reagierte. Sie beschloss, ein städtisches Weingut zu gründen und darüber dem Weinbau an den Hängen des Hochberges wieder Zukunft zu geben. Das Weingut wurde errichtet; als erster Jahrgang wurde in ihm der 1985er Wein ausgebaut. Wie angedacht, so übernahm das Weingut in den folgenden Jahren auch die freiwerdenden Flächen aus Winzerhand. Es produzierte Weine, die sich über die eigene Region hinaus schon bald eines guten Rufes erfreuten und die mehrmals auch bei Staatsempfängen des Bundespräsidenten zum Ausschank kamen.
Zum 1. Januar 1997 schloss sich das städtische Weingut mit dem Weinbaubetrieb des Marktes Elsenfeld zu einem Zweckverband zusammen, um gestärkt auf dem immer schwieriger werdenden Absatzmarkt auftreten zu können. Aber auch diese Lösung hatte nur ein kurzes Leben. Der Verband löste sich bereits Ende 1998 wieder auf; 1999 ging das Weingut in private Hände über.
Große Resonanz und Beachtung findet das seit 1958 alljährlich auf dem Platz unterhalb des Bergschwimmbades stattfindende Weinfest. Schon zu Jahresbeginn notieren sich viele Weinliebhaber das erste Juli-Wochenende in ihren Vormerkkalendern, um dieses Fest mit seinen stimmungsvollen Lauben nicht zu versäumen.
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